Aktuelle Stunde zu Energiearmut und Inflation

Mei­ne Rede im Rah­men der Aktu­el­le Stun­de auf Antrag der FDP-Frak­ti­on: “Das drit­te Ent­las­tungs­pa­ket stärkt die Men­schen und ver­gisst die­je­ni­gen nicht, auf deren Schul­tern die­ses Land steht – die hart arbei­ten­de Mit­te der Gesell­schaft – was tut Rot-Grün-Rot?”

Den Mit­schnitt der Rede gibts unter die­sem Link, hier mei­ne Rede im Wort­laut:

Sehr geehr­ter Herr Prä­si­dent,

Sehr geehr­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen,

Arm aber sexy – eigent­lich dach­ten wir, die­sen Spruch über­wun­den zu haben.

Arm aber sexy – etwas, dass Vie­len schnell zu Ber­lin ein­fällt, aber weder lus­tig noch schön ist.

14.000 Ber­li­ner Haus­hal­ten wur­de im letz­ten Jahr der Strom oder das Gas abge­dreht.

14.000 Haus­hal­te, in denen Men­schen leben, für die arm sein nicht sexy ist, son­dern frie­ren und hun­gern bedeu­tet.

Über 330.000 Ber­li­ne­rin­nen waren letz­tes Jahr von Über­schul­dung betrof­fen.

Über 330.000 Per­so­nen. Das ist jeder zehn­te Ber­li­ner für den arm sein nicht sexy ist, son­dern Ver­zicht bedeu­tet.

Und das sind nur zwei alar­mie­ren­de Zah­len von vie­len.

Zah­len von vor dem rus­si­schen Angriffs­krieg. Von vor­dem Abdre­hen des Gas­hahns durch Wla­di­mir Putin.

Schon damals und auch jetzt galt: 

arm sein ist nicht sexy.

Arm sein ist Beklem­mend

Arm sein ist Aus­gren­zend

Arm sein ist kalt

Wir dür­fen Armut nicht hin­neh­men. Aber wir dür­fen auch nicht kopf­los han­deln. Wir müs­sen die Men­schen nicht nur über einen Win­ter brin­gen. Wir müs­sen sie über zehn Win­ter brin­gen. Und damit Ber­lin dies packt müs­sen wir kla­ren Leit­li­ni­en fol­gen.

  1. Wir wer­den hel­fen – und zwar gezielt den­je­ni­gen, die es brau­chen.
  2. Wir wer­den die Lücken, die der Bund lässt, schlie­ßen.
  3. Es gibt nicht nur eine Kri­se. Wir haben vie­le Kri­sen. Die Kli­ma­kri­se. Die Coro­na­pan­de­mie. Die Mie­ten­kri­se. Die Infla­ti­on. Wer davon nur ein Feu­er kurz­fris­tig mit viel Geld löschen will, dem wird auf Dau­er das Lösch­was­ser aus­ge­hen.

Sehr geehr­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen,

wir Abge­ord­ne­te und Senats­mit­glie­der hier im Ple­num, wir wer­den kei­ne finan­zi­el­le Hil­fen brau­chen. Sehr wohl aber die­je­ni­gen, die hier tag­täg­lich für uns put­zen. Die uns in der Kan­ti­ne bedie­nen. Die hier für unse­re Sicher­heit sor­gen.

Des­halb muss die Frei­bier für alle Men­ta­li­tät vor­bei sein. Nicht alles für alle, son­dern gezielt denen mit gerin­gem Ein­kom­men zu hel­fen, das muss unser Anspruch sein.

Mit dem Ber­li­ner Wohn­be­rech­ti­gungs­schein haben wir ein gutes Instru­ment, um Ein­kom­mens­gren­zen für Bedar­fe zu zie­hen. Und des­halb ist es rich­tig, dass wir uns als Koali­ti­on dar­auf ver­stän­digt haben, dass wir ziel­ge­nau allen hel­fen wol­len, deren Ein­kom­men in den Bereich des Wohn­be­rech­ti­gungs­schei­nes 180 liegt. Damit errei­chen wir über die Hälf­te der Ber­li­ner Haus­hal­te. Über die Hälf­te der Haus­hal­te die jetzt akut Unter­stüt­zung benö­ti­gen.

Sehr geehr­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen,

zen­tral für uns ist ein ech­ter Här­te­fall­fond, der allen hilft, die am Ende trotz Hil­fen ihre Ener­gie­rech­nun­gen nicht mehr bezah­len kön­nen. 

Ein Här­te­fall­fonds, der sicher stellt, dass kei­ne Woh­nung kalt und dun­kel bleibt oder wegen den Ener­gie­prei­sen gar gekün­digt wird. Wir müs­sen und wir wer­den um jeden Miet­ver­trag kämp­fen.

Aber auch bei die­sem Kampf um jeden Miet­ver­trag, sind wir auf den Bund ange­wie­sen. Wir brau­chen ein Kün­di­gungs-Mora­to­ri­um. Denn wer die hohen Nach­for­de­run­gen nicht beglei­chen kann, kann lei­der ganz schnell sein Zuhau­se ver­lie­ren.

660.000 Woh­nun­gen wer­den in Ber­lin mit Gas beheizt — des­halb ist ein Kün­di­gungs­mo­ra­to­ri­um für Gas bzw. auch Strom wich­tig und muss schnell umge­setzt wer­den. 

Hohe Mie­ten schwä­chen schon seit Jah­ren die Kauf­kraft. Mehr Wohn­geld ist eine gute ers­te Maß­nah­me, ersetzt aber kei­ne wirk­sa­me Mie­ten-Regu­lie­rung. Des­halb for­dern wir vom Bund einen Mie­ten­stopp für die Net­to­kalt­mie­ten für ein Jahr. Schott­land macht es uns vor, fol­gen wir die­sem guten Bei­spiel.

Und wenn der Bund selbst nicht den Mut hat, sol­len sie uns wenigs­tens eine Län­der-Öff­nungs­klau­sel für das Miet­recht geben. Wir wol­len ja nicht glei­che die gan­ze Unab­hän­gig­keit wie Schott­land. Wir wol­len nur die Mieter*innen schüt­zen.

Doch wir zei­gen nicht nur auf den Bund. Auch unse­re lan­des­ei­ge­nen Woh­nungs­un­ter­neh­men sind gefor­dert nun schnell ein Kün­di­gungs­mo­ra­to­ri­um aus­zu­spre­chen, so wie sie es bereits wäh­rend Coro­na getan hat­ten. 

Wir müs­sen und wir wer­den um jeden Miet­ver­trag kämp­fen! Auch dar­um wol­len wir den Ener­gie­spar­check, die Bera­tun­gen gene­rell deut­lich aus­wei­ten und die Men­schen dort abho­len, wo sie sind. Im Inter­net, vor dem Ein­kaufs­zen­trum oder ganz klas­sisch per Brief. Wis­sen ist Macht – geben wir den Men­schen die­ses Wis­sen, geben wir ihnen die­se Macht.

Sehr geehr­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, 

in die­ser Zeit ist nicht nur ent­schei­dend, was hin­ten raus kommt, son­dern vor allem was direkt ankommt. Vie­le Ent­las­tun­gen wer­den Mona­te brau­chen, bis sie bei den Men­schen ankom­men. Mit einer Über­brü­ckung für das 9 Euro Ticket bis zu einer hof­fent­lich bun­des­wei­ten Lösung am 1. Janu­ar fül­len wir die­se Lücke. Denn die­se Ent­las­tung kön­nen wir jetzt umset­zen und sie kommt direkt bei den Men­schen in die­ser Stadt an. 

Aber dabei ist auch ent­schei­dend, dass es wirk­lich eine Ent­las­tung ist. Ledig­lich ein bun­des­wei­tes 69 Euro Ticket hilft uns in Ber­lin herz­lich wenig.

  • Schon heu­te haben wir das Sozi­al­ti­cket für 27,50.
  • Schon heu­te haben wir ein kos­ten­freies­Schü­le­rin­nen Ticket.
  • Schon heu­te haben wir ein Job­ti­cket für maxi­mal 49,42 Euro.

Der Tarif für den Ver­bund muss deut­lich dar­un­ter lie­gen. Ein Zwei­tei­li­ger Stu­fen-Tarif — ein­mal bun­des­wei­tes für 49 Euro und in Ber­lin-Bran­den­burg für 29 Euro ist daher genau die rich­ti­ge Ant­wort. Dafür wer­den wir uns im Bund, dafür wer­den wir uns beim VBB ein­set­zen.

Zu ana­ly­sie­ren wo der Bund Lücken lässt und hier gezielt ein­zu­sprin­gen, dass wird für die nächs­ten Wochen und Mona­te zen­tral sein.

Wie schon bei Coro­na kom­men vom Bund kaum Hil­fen für Solo­selb­stän­di­ge. Künst­le­rin­nen, Irgend­was mit Medi­en, freie Jour­na­lis­tin­nen — all die­se Per­so­nen prä­gen doch Ber­lin. Ber­lin hat schon bei Coro­na gezeigt, dass wir die­sen Men­schen schnell hel­fen kön­nen. Hel­fen wir ihnen wie­der. Ber­lin packt das. 

Und wir müs­sen auch die sozia­len Trä­ger die­ser Stadt in den Fokus neh­men. Die Kitas, die Pfle­ge­ein­rich­tun­gen, die Obdach­lo­sen­un­ter­künf­te. Eine sozia­le, eine gerech­te Stadt misst sich eben nicht nur am Geld­beu­tel sei­ner Bür­ge­rin­nen. Eine sozia­le Stadt misst sich dar­an, ob ihre sozia­len Ange­bo­te funk­tio­nie­ren. Des­halb müs­sen wir gera­de den klei­nen sozia­len Trä­gern gezielt unter die Arme grei­fen. Kei­ne Kita, kein Jugend­treff, kei­ne Biblio­thek darf wegen den gestie­ge­nen Heiz­kos­ten schlie­ßen.

Sehr geehr­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, 

wir dür­fen nicht ver­ges­sen, wie wir in die­se schwie­ri­ge Lage gekom­men sind. Es ist Zeit, aus Feh­lern zu ler­nen.

  • Es war ein Feh­ler, dass wir uns Jahr­zehn­te­lang abhän­gig von fos­si­ler Ener­gie gemacht haben.
  • Es war ein Feh­ler, dass wir uns jahr­zehn­te­lang abhän­gig von Russ­land gemacht haben.

Die Zeit für die öko­so­zia­le Trans­for­ma­ti­on ist genau jetzt.

Ber­lin kli­man­neu­tral umzu­bau­en ist eben nicht nur eine Ver­ant­wor­tung, die wir zum Schutz unse­res Pla­ne­ten tra­gen. Es ist auch eine zen­tra­le sozia­le Ver­ant­wor­tung. 

Die­se Ver­ant­wor­tung wol­len wir mit einem mas­si­ven Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gien wahr­neh­men. Wir müs­sen schnel­ler vor­an­kom­men beim Solar­aus­bau und auch im dicht besie­del­ten Ber­lin Stand­or­te für Wind­kraft­an­la­gen fin­den. 

Mit Mie­te­rin­nen­strom­mo­del­len wol­len wir es schaf­fen, dass die Men­schen direkt an der Pro­duk­ti­on der eige­nen Ener­gie betei­ligt sind. 

Solar­pflicht, Ver­kehrs­wen­de, Wär­me­wen­de, ener­ge­ti­sche Sanie­rung — all das macht Ber­lin nicht nur schö­ner. All das tut Putin auch rich­tig weh. 

Wir müs­sen des­halb Geo­ther­mie in Ber­lin vor­an­brin­gen­und Wär­me­pum­pen för­dern.

Schlech­te Iso­lie­run­gen an Fens­tern und Fas­sa­den, schlech­te Heiz­sys­te­me — all das heißt jetzt eine explo­die­ren­de zwei­te Mie­te. Und genau des­halb müs­sen wir vor allem die Häu­ser im schlech­tes­ten Zustand zuerst ener­ge­tisch fit machen.

Sehr geehr­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, 

Hil­fen für Men­schen in Not

Hil­fen für Solo­selb­stän­di­ge

Hil­fen für sozia­le Trä­ger

und gleich­zei­tig den öko­so­zia­len Umbau Ber­lins­vor­an­trei­ben

Was wir hier vor­ha­ben ist gigan­tisch und bit­ter not­wen­dig. All dies wird auch Geld kos­ten. Wir als Ber­lin wer­den die­ses Geld in die Hand neh­men. Aber wahr ist auch, inner­halb der Schul­den­brem­se wird dies alles kaum ver­ant­wor­tungs­voll mög­lich sein. Des­halb ist es drin­gend nötig, dass der Bund die Schul­den­brem­se aus­setzt.

Wir haben gelernt, dass ein spa­ren bis es quietscht, falsch ist. Dass es falsch ist an der Grund­sub­stanz der Stadt zu spa­ren.

Des­halb ist für uns klar, wir wer­den uns nicht aus der Kri­se spa­ren.

Mit rot-grün-rot wird es kein spa­ren bis es friert geben. Im Gegen­teil, wir wer­den inves­tie­ren. Für die Men­schen und für die Zukunft die­ser Stadt!

Vie­len Dank